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Hospizbewegung-Hilden :: Nachrichten
Hospiz-Nachrichten Nr. 22 (2015)

Die Bedeutung der Palliativmedizin
in der Diskussion über Sterbehilfe

Als Medizinstudentin im 9. Semester und Pflegemitarbeiterin im Nachtdienst in einem stationären Hospiz verfolge ich interessiert die Diskussionen um Sterbehilfe und Palliativmedizin.

In der Universität wird dem Fach Palliativmedizin sehr zögerlich etwas mehr Beachtung geschenkt: Erst seit kurzem gibt es an dem Uniklinikum meines Studienortes eine "Stabsstelle Palliativmedizin", die jedoch lediglich zwei Stellen umfasst. In Vorlesungen wird vor allem gelehrt, was wir tun können, um Krankheiten zu heilen oder sie in ihrem Fortschreiten zu stoppen. Wenig wird darüber gesagt, wie wir mit unheilbar kranken Patienten umgehen können und wann es sinnvoll ist, in der "kurativen Therapie" einen Schlusspunkt zu setzen und an ausgebildete Kollegen und Pflegekräfte zu überweisen, die dem Leben des Patienten vielleicht nicht mehr Länge, aber dafür Würde und mehr Lebensqualität geben können.

Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich seit nunmehr drei Jahren im stationären Hospiz sammeln darf. Ich werde niemals vergessen, wie nervös ich vor meinem ersten Dienst war. Diese Aufgeregtheit war jedoch binnen Minuten verflogen. Denn die Ruhe und Wärme, die das Hospiz ausstrahlte, hatte sich auch auf mich übertragen. Diese besondere Atmosphäre des Hauses wird nicht nur durch die Räumlichkeiten, sondern insbesondere durch die freundlichen und zugewandten Hospizmitarbeiter gestaltet – sei es in der ehren- oder hauptamtlichen Arbeit. Es ist ein ausgeglichenes Geben und Nehmen, das sich auf Bewohner und Arbeitende positiv auswirkt. Denn die Mitarbeiter schöpfen ihre Freude und positive Ausstrahlung aus dem Feedback, das sie von den Bewohnern und ihren Angehörigen erhalten.

Viele Bewohner erholen sich sogar noch einmal und können ihren letzten Lebensabschnitt bewusst genießen. Sie bekommen ihre

Selbstbestimmtheit zurück, ihre individuellen Bedürfnisse werden in den Mittelpunkt gerückt und sowohl sie als auch ihre Angehörigen werden kompetent und einfühlsam auf dem letzten Abschnitt ihres Lebens begleitet. Sterben wird normal, es gehört zum Leben dazu – auch wenn es für mich als junger Mensch nicht immer leicht ist so zu denken. Auch ich hadere immer wieder mit Schicksalen von Bewohnern unseres Hospizes, von Freunden und Bekannten.

In den aktuellen Diskussionen um den assistierten Suizid stimme ich den Politikern im Bundestag zu, die fordern, dass Ärzte, die Beihilfe zum Suizid leisten, keine berufsrechtlichen Sanktionen zu befürchten haben dürfen. Ich denke, dass eine gut eingestellte palliative Medikation viele Beschwerden lindern kann, aber ich glaube auch, dass Palliativmedizin in einigen wenigen Fällen doch an ihre Grenzen stößt. Für diese Fälle sollten die Ärzte die Möglichkeit haben, im Sinne des Patienten zu handeln und bis zum Schluss diesen helfen zu können – sei es in letzter Instanz auch durch den ärztlich assistierten Suizid. Ärzte sollen ihren Patienten im Leben helfen, wieso dann nicht auch beim Sterben?

Ich glaube nicht, dass durch solch eine gesetzliche Regelung ein "Massensterben" ausgelöst wird, wie Gegner dies häufig behaupten. Wirft man z.B. einen Blick auf den US-Bundesstaat Oregon, hat sich diese Befürchtung nach Einführung des "Death with Dignity-Act" nicht bestätigt. Nicht-Betroffenen steht es auch – so meine ich – nicht zu, darüber zu urteilen, ob einem Schwerkranken die legale Chance genommen werden soll, seinem Leben in Frieden und nach dem eigenen Willen ein Ende zu setzen, um einen langwierigen Sterbeprozess zu umgehen.

Durch den Ausbau von stationären Hospizen und ambulanten Hospizdiensten sowie Palliativstationen könnten die meisten dieser Diskussionen aber im Keim erstickt werden. Wenn Sterbende eine gute Schmerztherapie, optimale Symptomlinderung und fürsorgliche Pflege und Begleitung erfahren, stellt sich für sie meist die Frage nach dem Suizid nicht mehr. Ihnen und ihren Angehörigen wird so ein Stückchen wertvoller Zeit geschenkt, das den einen den Abschied und den anderen die Zeit der Trauer erleichtern kann. Das neue Palliativ- und Hospizgesetz ist also ein Schritt in eine gute Richtung – dazu sollte aber auch gehören, dass die Palliativmedizin in der Medizinerausbildung mehr Gewicht erhält.

Medizinstudentin im 9. Semester (Name der Redaktion bekannt)

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